Fraunhofer IML stellte neue Richtlinie »Warehouse Management Systeme« gemeinsam mit Experten aus der Wirtschaft auf der LogiMAT 2014 vor
Bei der Beherrschung komplexer Materialflüsse in der Intralogistik spielen Warehouse Management Systeme (WMS) eine immer zentralere Rolle. Im Rahmen eines Fachforums auf der LogiMAT 2014 wurde die neue VDI-Richtlinie 3601 vorgestellt, die sich explizit mit der Frage beschäftigt, was ein IT-System leisten muss, damit es als WMS bezeichnet wird. Ein Arbeitskreis aus Intralogistikexperten hat in mehr als zehn Sitzungen für den Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die neue Richtlinie »Warehouse Management Systeme« ausgearbeitet. Im Rahmen der LogiMAT 2014 präsentierten die Experten aus Forschung und Wirtschaft gemeinsam im Rahmen eines Fachforums ihre Ergebnisse.
Die bunte Mischung unterschiedlicher Sichtweisen und Ideen von Anbietern sowohl proprietärer Systeme als auch SAP-basierter Systeme über Berater bis zu Anwendern bestätigen die Vollständigkeit der Richtlinie. »Dies war für alle Beteiligten sehr wichtig. Jeder soll sich darin wiederfinden können« betont Detlef Spee, Leiter der Abteilung Intralogistik und ¬-IT Planung am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik IML und selbst Mitglied des Arbeitskreises sowie des erstgenannten Fachausschusses. »Die Besonderheit dieser Richtlinie liegt darin, dass sie sich über zwei VDI-Fachausschüsse erstreckt, einer für ›Logistiksysteme und -management‹ und ein weiterer für ›Logistikprozesse und IT‹«, hebt Spee hervor.
Kernfunktionen und Zusatzfunktionen
Die Ursache vieler Probleme, die sich im Laufe eines WMS-Projektes ergeben können, treten häufig in Verständnisproblemen unter den Projektbeteiligten auf. »Eines der übergeordneten Ziele dieser Richtlinie war es, ein gemeinsames Begriffsverständnis zwischen Anbieter und Anwender herzustellen«, sagt Tim Geißen, fachlicher Leiter des Teams warehouse logistics am Fraunhofer IML und Koordinator des Arbeitskreises. Neben der Klärung von Begrifflichkeiten und einer Beschreibung des administrativen Umfelds von WMS »werden zwei wesentliche Gruppen im Herzstück der Richtlinie unterschieden: Kernfunktionen und Zusatzfunktionen«, so Geißen weiter. Als Kernfunktionen bezeichnet werden dabei Funktionen, die ein jedes WMS abdecken muss, also etwa die Unterstützung sämtlicher Vorgänge von Wareneingang bis Warenausgang. Zusatzfunktionen hingegen sind häufig sehr projektspezifisch (z. B. Dock-/Yardmanagement).
Nach Ansicht von Günther Pfisterer, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Thomas + Partner in Karlsruhe, kann die Richtlinie aus Prozess- und Funktionssicht »helfen, Ideen zu entwickeln, welche Prozesse für Anwender überhaupt in Frage kommen« und eine »ordentliche Struktur für Lasten- und Pflichtenhefte bieten, damit man auch nichts vergisst«. Als eine Art »Checkliste« gibt die Richtlinie »gute Orientierung bei der Gestaltung der IT-Systemlandschaft«.
Vertikale Integration
Da ein WMS nur in den seltensten Fällen autonom im Einsatz ist, muss es in der Regel in eine Gesamtsystemlandschaft eingebettet werden. »Die Ankopplung von Systemen nach oben und unten hat dabei immer Konsequenzen auf IT-Struktur und Prozesszuordnungen«, gibt Fin Gelmacher, Geschäftsführer der Prismat GmbH in Dortmund, mit Blick auf die vertikale Integration eines WMS zu bedenken. Als typisches übergeordnetes System sieht er das Enterprise Resource Planning (ERP), als untergeordnetes die Materialflusssteuerung (MFS) sowie die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS). Nur im Ausnahmefall starte ein Prozess im WMS, die Regel sei ein Start im ERP. Dennoch muss ein WMS heute beide Optionen abdecken können. »Die vertikale Integration ist ein zentraler Erfolgsfaktor für ein WMS-Projekt. Wenn man die Schnittstellen früh sauber definiert, hat man hinterher weniger Ärger«, so Geldmacher.
Neben der vertikalen ist auch die horizontale Integration von zentraler Bedeutung beim WMS-Projekt. Hierbei geht es um Systeme, die in derselben Prozessebene wie das WMS liegen; man spricht von nebenstehenden Systemen. »Die horizontale Integration spielt sich vielfach im Bereich der Zusatzfunktionen ab«, betont Michael Bodden-Streubühr, Leiter Presales WMS bei der Inconso AG in Bad Nauheim. »Die häufigste Frage, die sich hier stellt, ist: Reicht eine Zusatzfunktion des WMS oder brauche ich ein eigenständiges System? Dabei muss die Frage gestellt werden, bis zu welchem Reifegrad ich einen Prozess im WMS abdecken will«. Subprozesse können unter Umständen besser an ein Subsystem abgegeben werden und in einem »reiferen« Stadium wieder vom WMS aufgenommen werden.
Ein Beitrag zu aktuellen Problemen
»Die Richtlinie soll den aktuellen Stand der Technik beschreiben und einen Beitrag zu aktuellen Problemen leisten«, hielt Geißen am Ende des Forums auf der LogiMAT nochmals fest. »Wir haben diese Richtlinie für die Industrie gemacht. Sie soll größtmögliche Transparenz ermöglichen. Je nach Wirkung dieser nun vorliegenden Richtlinie kann man zukünftig über weitere Blätter nachdenken«, hatte Spee das Schlusswort der Veranstaltung.
Die erarbeitete Richtlinie beschreibt Aufgaben- und Leistungsbereiche, die prägend sind für die Bezeichnung eines IT-Systems als Warehouse Management System (WMS). Sie definiert hierzu notwendige Begriffe und Abkürzungen, beschreibt das administrative und funktionale Umfeld und erläutert übliche Formen der Integration eines WMS in über- und untergeordnete IT-Systeme. Damit gibt es erstmals eine klare Orientierung für Diskussionen zwischen Kunden und Lieferanten.
Das WMS bezeichnet hierbei im allgemeinen Sprachgebrauch die Steuerung, Kontrolle und Optimierung von Lager- und Distributionssystemen. Neben den elementaren Funktionen einer Lagerverwaltung, zu der eine Mengen- und Lagerplatzverwaltung sowie Fördermittelsteuerung und -disposition gehören, umfasst der Leistungsumfang eines WMS nach dieser Betrachtungsweise auch umfangreiche Methoden und Mittel zur Kontrolle der Systemzustände und eine Auswahl an Betriebs- und Optimierungsstrategien. Die Aufgabe eines WMS ist es somit, innerbetriebliche Lagersysteme zu führen und zu optimieren.
An der Erarbeitung der VDI-Richtlinie »Warehouse Management Systeme« waren Experten aus Wirtschaft und Forschung beteiligt, die sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und so einen Meilenstein auf dem Weg zur Standardisierung der Logistik erarbeitet haben. Beteiligte Experten waren Dipl.-Phys. Michael Bodden-Streubühr (inconso AG), Dipl.-Logist. Tim Geißen (Fraunhofer IML), Dipl.-Log.-Kfm. Fin Geldmacher (prismat GmbH), Dipl.-Inform. Helmut Ludwigs (integral logistics GmbH & Co. KG), Dipl.-Ing. Günther Pfisterer (DR. THOMAS + PARTNER GmbH & Co. KG), Dipl.-Logist. Christoph Pott (Fraunhofer IML) sowie Dipl.-Ing. Detlef Spee (Fraunhofer IML).
Firma: Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik IML
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