(firmenpresse) - München, 16. November 2010 - Die deutsche Wirtschaft erholt sich, gleichwohl kommt es immer wieder zu Forderungsausfällen bei Frachtführern und Spediteuren. Dieter Janßen, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht sowie Mitautor des Buches "Rechtspraxis für Spediteure, Frachtführer und Lagerhalter" der neuen Reihe Navigator Transportrecht (Verlag C.H.Beck) geht der wiederholt diskutierten Frage nach, ob Forderungen gegen den Auftraggeber durch ein gesetzliches Pfandrecht gesichert sind.
Dass die Antwort nicht einfach ist, belegt die Tatsache, dass sich der Bundesgerichtshof im Sommer diesen Jahres in einem Urteil vom 10.06.2010 (Aktenzeichen: I ZR 106/08) mit dem Thema befassen musste.
Der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt ist typisch und vereinfacht wie folgt darzustellen: Ein Wareneigentümer hatte einen Frachtführer mit der Durchführung eines Transportes beauftragt. Dieser beauftragte seinerseits einen anderen Frachtführer mit der tatsächlichen Durchführung des Transportes. Der erstbeauftragte Frachtführer wurde zahlungsunfähig. Der zweitbeauftragte Frachtführer verwertete das in seiner Obhut befindliche Gut wegen von seinem Auftraggeber nicht bezahlter Rechnungen, die zum Teil auch aus vorhergehenden Transporten resultierten. Er wurde darauf hin von dem Wareneigentümer auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Es stellten sich im Wesentlichen drei Fragen:
1.Kann ein Frachtführerpfandrecht an Gut entstehen, welches nicht im Eigentum des Auftraggebers steht, sogenanntes Drittgut?
2.Entsteht das Pfandrecht an Drittgut auch für Forderungen, die nicht aus dem aktuellen, sondern einem zurückliegenden Transport herrühren, sogenannte inkonnexe Forderungen?
3.Wie ist die vorhergehende Frage zu beantworten, wenn der Frachtführer weiß, dass sein Auftraggeber nicht Eigentümer des Gutes ist, aber gutgläubig davon ausgeht, dass sein Auftraggeber berechtigt ist, ihn mit der Durchführung des Transportes zu beauftragen?
Der Bundesgerichtshof hat diese Fragen wie folgt beantwortet - die Antworten gelten ebenso für das Pfandrecht des Spediteurs:
1.Das Frachtführerpfandrecht kann auch an Drittgut entstehen. Voraussetzung ist, dass der Frachtführer den Besitz mit Willen des Eigentümers erlangt hat. Dafür ist es ausreichend, dass der Eigentümer eine Beförderung durch einen anderen als seinen Vertragspartner für möglich gehalten und das Gut gleichwohl aus der Hand gegeben hat.
2.Anders als im Falle von Gütern, deren Eigentümer der Auftraggeber des Frachtführers ist, kann an Drittgut für eine inkonnexe Forderung grundsätzlich auch dann, wenn die Forderung unbestritten ist, kein Pfandrecht entstehen. Der Schutz des Wareneigentümers geht nach dem Willen des Gesetzgebers in derartigen Fällen abweichend von dem insoweit uneingeschränkten Gesetzeswortlaut vor.
3.An dem Vorstehenden ändert sich auch dann nichts, wenn der Frachtführer gutgläubig davon ausgeht, dass sein Auftraggeber berechtigt ist, ihn mit der Durchführung des Transportes zu beauftragen. Nur dann, wenn der Frachtführer gutgläubig von dem Eigentum seines Auftraggebers an den zu befördernden Gütern ausgeht, kann auch für eine inkonnexe Forderung an Drittgut ein Pfandrecht entstehen. Wird der Frachtführer von einem anderen Frachtführer oder Spediteur beauftragt, muss er allerdings in der Regel davon ausgehen, dass dieser nicht Eigentümer des zu befördernden Gutes ist. Ein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts wegen einer inkonnexen Forderung ist in solchen Fällen also in der Regel nicht möglich.
Fazit: Frachtführer und Spediteure, die nicht von dem Wareneigentümer direkt, sondern von Spediteuren oder anderen Frachtführer beauftragt werden, müssen deshalb immer berücksichtigen, dass sie für Forderungen aus anderen Aufträgen desselben Auftraggebers grundsätzlich kein Pfandrecht an dem transportierten Gut erlangen. Sind also Forderungen aus Vortransporten noch nicht erfüllt, muss gründlich abgewogen werden, ob ein weiterer Auftrag angenommen wird.
Janßen/Mittelhammer, Rechtspraxis für Spediteure, Frachtführer und Lagerhalter, Verlag C.H.Beck, 2010, ISBN 978-3-406-60033-3, Euro 28,00, www.beck-shop.de/30489
Ebenfalls in der Reihe Navigator Transportrecht sind soeben erschienen:
Janßen/Figura, Arbeitsrecht und soziale Sicherung im Transportgewerbe, Verlag C.H.Beck, 2010, ISBN 978-3-406-60034-0, Euro 38,00, www.beck-shop.de/30491
Köper, Schadensfälle im Transportgewerbe, Verlag C.H.Beck, 2010, ISBN 978-3-406-60035-7, Euro 28,00, www.beck-shop.de/30490
Schenk, Güterkraftverkehr, Verlag C.H.Beck, 2010, ISBN 978-3-406-60036-4, Euro 38,00, www.beck-shop.de/30492
Der Autor steht für weitere Interviewanfragen gerne zur Verfügung.
Der Verlag C.H.Beck (gegründet 1763) zählt zu den großen, traditionsreichen Verlagen in Deutschland. Dafür sprechen über 7.000 lieferbare Werke, rund 50 Fachzeitschriften sowie jährlich mehr als 1.000 Neuerscheinungen und Neuauflagen. Unter ihnen befinden sich renommierte Titel wie Schönfelder "Deutsche Gesetze", Palandt "Bürgerliches Gesetzbuch" und die "Neue Juristische Wochenschrift", aber auch praktische Ratgeber für den Verbraucher. Viele der Werke sind zusammen mit umfangreicher Rechtsprechung und mehr als 4.500 Gesetzen digital über beck-online (www.beck-online.de), die mehrfach ausgezeichnete juristische Datenbank des Verlages, abrufbar. Im Web 2.0 ist C.H.Beck mit dem beck-blog (www.beck-blog.de) und der beck-community (www.beck-community.de) aktiv. Mit dem beck-stellenmarkt (www.beck-stellenmarkt.de) unterhält C.H.Beck Deutschlands größte Jobbörse für Juristen. Unter dem Dach der BeckAkademie (www.beck-akademie.de) veranstaltet der Verlag jährlich mehrere hundert Fortbildungen in den Bereichen Recht und Steuern. Darüber hinaus ist C.H.Beck an einigen juristischen Fachverlagen im In- und Ausland mehrheitlich beteiligt. Das Familienunternehmen besteht in sechster Generation.
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